Benno Solbach

Aus der Geschichte der Tüschebachsmühle

aus: Heimatjahrbuch für den Kreis Altenkirchen - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Kreisheimatvereins

Soweit sich feststellen läßt, reicht die Entstehung der Tüschebachsmühle bis ins 12. Jahrhundert zurück. Ursprünglich soll die Mühle nicht an ihrer späteren und heutigen Stelle hier im Löcherbachtale, sondern an der Mündung des Tüschebach- bzw. des nahen Düsternseifentales gestanden haben. Gewisse Anzeichen lassen auch mit Bestimmtheit darauf schließen. In einer Chronik wird das Bauemgehoft "Tüschebachsmühle" im 14. Jahrhundert erwähnt, und eine Urkunde im Staatsarchiv Koblenz belegt, daß die Mühle zur "Düschepag" eine herrschaftliche Mühle war. Sie war Eigentum der Herrschaft Freusburg und diente als Bannmühle d.h. die Bewohner der Umgebung waren an diese Mühle gebannt (gebunden) und mussten hier – und nur hier – mahlen assen. Ein Gutachten von Sachverständigen führt aus, daß der 13 Morgen große Mühlenweiher schon im 14.Jahrhundert angelegt wurde. Ein Kanal, welcher unter dern Weiherdamm hindurchführt, läßt auch durch seine Bauart auf jene Zeit schließen. Also muss vor rund 600 Jahren die Verlegung der Mühle aus dem Tüschebachstal ins Löscherbachtal erfolgt sein; sie behielt jedoch den Namen Tüschebachsmuhle bei.

Im 16. Jahrhundert wurde der Weiherdamm um 18 Fuß erhöht und schließlich vor 240 Jahren eine stabile Steinbrücke über den Abfluß gelegt. Aus einer "Acta betreffend die bei der Tüschebachsmühle statt der bisherigen hölzernen neu erbauten steinernen Brücke fur die Mahlgäste, und den gnädigsten Beitrag (der Herrschaft) hierzu..." geht hervor, dass die angebannten Mahlgäste anno 1750 Frondienste beim Brückenbau leisten mussten (LHA Koblenz Bestand 30, Nr. 312).

Kirchenurkundlich wird erstmalig ein Hildebrand Schnell im Jahre 1688 in Weyermühle als Täufling erwähnt. Im Jahre 1776 wird als herrschaftlicher Müller ein Johann Jakob Scheel genannt und in einer Aufzeichnung der "Filialen der Pfarrei Niederfischbach" heißt im Jahre 1768 eine solche einfach und lapidar "Vorm Weiher". Die Schreibweise des Namens der Müller und Bewohner der Tüschebachsmühle hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Die Bezeichnung "Schnells Mühle" und "Schnells Weiher" war landläufig und hat sich bei der älteren Generation bis in die heutige Zeit erhalten. Schließlich war die Mühle ja auch rund 400 Jahre im Besitz dieser Familie. In harter und fleißiger Arbeit konnte der Besitz durch die Familien Schnell im Laufe der Jahrhunderte vergrößert werden. Umfangreiche Ländereien und ein beachtlicher Waldbestand gehörten zum späteren Besitz. Uber 20 Stück Großvieh standen wohl ständig in den Stallungen. Der Mühlenweiher diente nicht nur als Antriebskraft des Wasserrades, sondern auch einer gut gepflegten und lohnenden Fischzucht. Alle zwei bis drei Jahre fand ein großer Fischfang mit Verkauf statt, zu dern Ankäufer kamen, um Hechte und Aale oder Karpfen zu kaufen. Im Winter begann nach starkem Frost, wenn die Eisdecke auf dern Weiher eine entsprechende Dichte hatte, das "Eismachen" für die Brauereien. Blöcke, in verschiedenen Größen gesagt, wurden durch eine 50 bis 60 Meter lange Rutsche über eine Bühne in die bereitstehenden Wagen geleitet.

Auf dem Besitztum der Tüschebachsmühle machte sich im Laufe der Jahrzehnte ein sichtbarer Wohlstand bemerkbar. Aber auch Rückschlage traten ein. Ein Ereignis von besonderer Tragweite wird in der Familienchronik der Schnells überliefert: In einem Jahre verendeten 20 hochwertige Milchkühe und damit nahezu der gesamte Viehbestand. Man glaubte damals, dass der Stall "verhext" sei. Der Hirte aus der Nachbarschaft wurde zu Rate gezogen, der "durch Unterlegen besonders geheimnisvoller Zettel unter die Futtertröge und durch Besprechen die bösen Geister aus dem Stall vertreiben sollte". Wir dürfen heute annehmen, dass es sich damals um die berüchtigte Maul- und Klauenseuche gehandelt hat, der die Tiere zum Opfer fielen.

Wahrend der Unruhen des Revolutionsjahres 1848 wurde der Grundbesitz der Familie Schnell vorübergehend enteignet, doch später als Folge der "Steinschen Reformen" wieder der Familie zugesprochen. Zehn Jahre spater – so ist aus Gerichtsprotokollen zu erfahren – waren am Sonntag der Fischbacher Kirmes 1858 einige Männer mit einem gewissen Johann Walkenbach aus Wald bei Solingen bekanntgeworden. Es ergab sich im Gespräch, dass dieser in der Falschgeldherstellung ein bewährter Fachmann war und diesbezüglich Verbindungen suchte. Sie alle wurden noch am selben Tage Freunde und beschlossen, ganz schnell reiche Leute zu werden. Nach einer "Besichtigung der uralten Tüschebachsmühle" hielt Walkenbach Ort und Zeit für angemessen. Das geräumige Mühlenanwesen lag abseits genug, und auch die Sage hatte schon – wie bei manch anderer alten Mühle – um die Weihermühle ihre Faden gesponnen. Nachts vom "Hambürger" bei Winnersbach vorbeikommende Bergleute, auch Arzt und Hebamme auf ihren nächtlichen Wegen, glaubten hinter den Mühlenfenstern unruhig wanderndes Kerzenlicht und ein ständiges Pochen vernommen zu haben. Doch der noch recht verbreitete Aberglaube ließ sie um so eiliger voranstreben.

Inzwischen hatten die Falschmünzer unäuffallig alte und schadhafte kupferne Kessel, Zinnteller und -leuchten, Antimon, Blei und Bronze beschafft, wahrend sich Walkenbach mit der Anfertigung der Prägestocke und Druckplatten befasste. Bald waren die ersten "tadellos legierten Friedrichsdors", welche man im Volksmund "Pistolen" nannte, eine sehr begehrte preußische Goldmünze, fertig. Zum Vertrieb hatten die Falschmünzer einen Kaufmann aus Hohenhain bei Freudenberg gewonnen. Er reiste über Olpe nach Münster und ins Holländische hinein und erzielte einen zufriedenstellenden Absatz. Am 17. Juni 1867 aber ließ ihn sein protziges Getue in einem Ort am Kölnischen Heck auffallen. Seine Hintermänner verriet er jedoch nicht und kam mit fünf Monaten Gefangnis davon. Die Geldhersteller in der Mühle aber wurden noch vorsichtiger. Sic münzten eine Weile auf Vorrat und schickten erst dann ihren Mann wieder bis Hannover. Der Erfolg blieb auch hier nicht aus, stieg aber dem Müller und den Helfershelfem in den Kopf. "Sie kleideten sich nach Stutzerart, führten seltsame Gespräche und warfen das Geld förmlich aus dem Fenster hinaus". Der Gendarm Schiwara in Kirchen hegte schon langer einen gewissen Verdacht, fand aber keine Handhabe zum Einschreiten. Endlich wurde ihm kurz vor Weihnachten ein vertraulicher Hinweis gegeben. Infolgedessen gelang es dem damaligen Wissener Amtsbürgermeister in der heiligen Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1879,... zwei bekannte Falschmünzer festzunehmen... Es waren zwei junge Manner von bereits berüchtigtem Namen, und zwar handelte es sich um einen Einwohner aus Tüschebachsmühle und einen Wirt aus Oppertsau (Amt Dattenfeld).

In Neuwied begann am 5. April 1880 die Schwurgerichtsverhandlung und zog sich über mehrere Wochen hin, weil die Bande über ein weitverzweigtes Verteilernetz verfügt hatte. Die Mitglieder wurden zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt. Zugleich aber spendete ihnen das Gutachten der Königlichen Münzdirektion Berlin ein gewisses Lob, weil hier "wahre Meister des Faches am Werk gewesen und noch nie so täuschend und so vollkommen nachgemachte Friedrichdors wie die hier aufgefundenen, vorgekommen seien".

Die Falschmünzer hatten sich in den 20 Jahren ihrer Tätigkeit noch einen zusatzlichen mühelosen Verdienst zu verschaffen gewusst, über dessen Funktionieren selbst das hohe Gericht schmunzelte. Hatten sie doch in der Tür zur Mahlstube eine sinnreiche Konstruktion eingebaut, und jeder Gast – Mahlkunde, Polizist oder Steuereinnehmer – produzierte beim Niederdrücken der Klinke jedesmal unbewusst und ungewollt einen Silbergroschen. Am Tage nach Allerheiligen anno 1880 wurde der Tüschebachsweiher abgelassen und der schlammige Grund durchsucht. Gefunden aber wurden weder Presse noch Prägestempel.

Im Jahre 1930 war die Tüschebachs- oder Schnells Mühle dern Verfall nahe. Der Besitzer konnte nicht mehr bestehen, weil die Auslagen für Steuern und Abgaben die Einnahmen weit überschritten. Deshalb sah er sich gezwungen, die Mühle mit ihrem Grundbesitz zur Versteigerung kommen zu lassen. Das Anwesen wurde damals durch die Gebrüder Kaiser, welche in Eitorf einen großen Sägewerksbetrieb besaßen, käuflich erworben. In der alten Mühle erblühte nun bald neues Leben. Franz Kaiser sen., welcher die Mühle betrieb, nahm die alten Mühlrader heraus und ersetzte diese durch eine Turbine. Diese trieb nicht nur die Mühle, sondem auch ein E-Werk an, das Licht spendete und die Anlage bei Wassermangel versorgte. Zu dieser Zeit fiel auch der turmhohe Ziegelschornstein, welcher zu der Dampfmaschine gehörte, die in wasserarmen Zeiten die Mühle getrieben hatte. Außer dern Mühlenbetrieb mit dern dazugehörigen Handel nahm Franz Kaiser auch Landesprodukte und Düngemittel in sein Verkaufsprogramm auf. Viele landwirtschaftliche Betriebe und Kleinlandwirte ließen in der Tüschebachsmühle Brot- und Futtergetreide vermahlen. Wer kannte nicht jenes Maultiergespann, welches damals den gummibereiften Planwagen durch die Dörfer zog, um Getreide abzuholen und Mehl, Kleie und Hühnerfutter anzuliefern.

Franz Kaiser sen. konnte nach dern 2. Weltkrieg in den 50er Jahren in der Mühle täglich 25 Tonnen mahlen. 1949 wurde die Kapazität auf 50 Tonnen erweitert. In den schlimmsten und schlechtesten Zeiten der Kriegs- und Nachkriegsjahre konnte vielen alten Mahlgästen und Bürgern in der ärgsten Not geholfen werden.

Im Jahre 1951 hatte Müller Franz Kaiser jun. die Untemehmensleitung übemommen. Er vergrößerte bald darauf den Betrieb um einen Kohlen- und Baustoffhandel. In dieser Zeit des Wiederaufbaus und des Baubooms wurde der Umfang des Untemehmens ständig erweitert. Aus der alten Mühle wurde allmahlich eine der bedeutendsten Baustoffhandlungen im nördlichen Kreis Altenkirchen und über die Landesgrenzen hinaus.

Als Franz Kaiser jun. im Jahre 1975 sein Unternehmen seinem Sohn Günther übergab und damit die 3. Generation der Familie die Leitung übernahm, war von der alten Mühle nicht viel mehr als ein verpflichtender Name vorhanden.

Die Betriebs- und Lagerräume der Mühle wurden als Verkaufs- und Ausstellungsflächen verwandt und das Verkaufsprogramm wesentlich erweitert Seit 15 Jahren ist der Bau- und Klinkerhof Kaiser in Tüschebachsmühle ständig gewachsen und bietet heute den Kunden auf einem Betriebsgelande van 10.000 m2 in Fachausstellungen, Hallen, Ständen, überdachten Lagerflächen und im Freigelände Bau- und Wohnmaterialien aller Art.