Gerd Strickhausen

Die Wüstung der ehemaligen Ranzenmühle an der Wied
im alten Kirchspiel Flammersfeld

(Ortschaft Berzhausen)

aus: Heimatjahrbuch für den Kreis Altenkirchen - hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Kreisheimatvereins

Vorgängerin der noch bestehenden Mühle in Strickhausen, die heute der Stromerzeugung dient, war bis 1684 die ehemalige Ranzenmühle in der Ortschaft Berzhausen, Kreis Altenkirchen. Die Mühle lag ursprünglich ca. 800 m wiedabwärts, der genaue Standort war jedoch in der Literatur bislang unbekannt.

Die Ranzenmühle ist in der Literatur wiederholt behandelt worden, zuletzt und am ausführlichsten von H. Strickhausen im Heimatkalender des Kreises Altenkirchen 1969, 1970 und 1971.1) Schon 1941 hatte H. G. Gewehr aufgrund von Flurnamen die Lage der wüst gefallenen Ranzenmühle "auf dern rechten Ufer der Wied, hart südöstlich der Furt zwischen Berzhausen und Bettgenhausen" grob zutreffend lokalisiert.2) Aber noch 1960 ging E. Katzwinkel davon aus, daß die Ranzenmühle nicht die Bannmühle des Kirchspiels Flammersfeld, die Strickhauser Mühle, war." Allerdings stand an der Stelle, an der Katzwinkel aufgrund von Flurnamen irrig die Ranzenmühle vermutete, lediglich von 1834 bis 1874 eine Ölmühle." H. Strickhausen konnte 1969/70 aufgrund umfangreicher Aktenstudien nachweisen, daß die Strickhauser Mühle die im späten 17. Jahrhundert verlegte Ranzenmühle war. Allerdings ließ sich die genaue Lage der Mühle aus den Akten nicht ermitteln. Geländebeobachtungen vor Ort sowie die Auswertung von im Nachlaß H. Strickhausen befindlichen Kopien von Archivalien der Archive Koblenz und Wiesbaden erlauben es, die Lage der Ranzenmühle genau zu lokalisieren, sowie Anlage und Grund ihrer Verlegung nach Strickhausen zu ermitteln.

Abb. 2 Obergraben oberhalb der Wiedbrücke

Eigentümer der Ranzenmühle waren die Grafen von Sayn, die sie jeweils für einige Jahre verpachteten. Die Mühle wird erstmals 1470 mit ihren Abgaben im Rentbuch des Schlosses Hachenburg in den "Abgaben über die Mühlen im Land" genannt: "item ein mole zu flamersfelt in der Rantzebach vier malter bonner map/ eyn molenswin / eyn oster-broit"". Sie war die Bannmühle des Kirchspiels Flammersfeld, d. h. alle Bewohner des Kirchspiels mußten hier ihr Getreide mahlen lassen. 1579 werden in einer Saynischen Urkunde die Dörfer genannt, die in der Ranzenmühle mahlen lassen müssen: "20 Artikel: Item im Kirspel Flamersfeldt ist die Rantze Moelle, gibt nu jarlich zu Pacht hondert Thall. gehort daruff zu maelen, Schoerdt, Bertzhausen, Strickhaußen, Betgenhausen, Selbach, Reifferßhaugen, Berchaußen, Flamersfelt, Golderßhoben, Eichen, Roede, Kaberoedt, Alpach, Uffm Berg, In der Orffge".6) Im Oktober 1574 verstarb auf der Ranzenmühle Alett von Limbach, Witwe des Hauptmanns Thomas Mant von Limbach. Die Mant von Limbach waren ein Westerwälder Niederadelsgeschlecht. Sie standen besonders häufig im Dienst der Grafen von Sayn.7) Die beiden letzten Müller der Ranzenmühle waren Wilhelm Strickhausen bis zu seinem Tod 1665 und Mathias Baldenbach von vor 1669 bis zu seinem Tod 1712. 1684 gab es bei der Ranzenmühle auch eine Ölmühle. Im selben Jahr brannte die Ranzenmühle ab. Die Mühle wurde an dieser Stelle nicht wieder aufgebaut, sondern von Baldenbach ca. 800 m wiedaufwärts an die Stelle der heutigen Mühle bei der Ortschaft Strickhausen hin verlegt. Die Mühle hieß weiterhin "Rantzauer Mühle". Erst nach dern Tod Baldenbachs 1712 verschwand der Name Ranzenmühle, es ist nur noch die Rede von der Mühle zu Strickhausen.

Einige Flurbezeichungen in Katasterkarten des 19. Jahrhunderts (Abb. 1) geben Hinweise auf die ungefähre Lage der Mühle bzw. des Verlaufs des Mühlgrabens. "Auf dern Werth" (= Insel) heißt die oberhalb der Wiedbrücke zwischen Berzhausen und Bettgenhausen gelegene flache Wiese zwischen der Wied im Osten und dern Mühlgraben im Westen, "Im Mühlenberg" heißt hier der Hang des Wiedtales westlich über dem Mühlgraben, "Auf dern Mühlenplatz" heißt die Wiese in der ersten Schleife der Wied unterhalb der Brücke, die im Westen vom Mühlgraben begrenzt wird und "Auf der alten Mühle" heißt hier das Gelande westlich oberhalb des Mühlengrabens." Die beiden letzten Flurnamen dienten H. G. Gewehr zur ungefahren Lokalisierung der Ranzenmühle; einen genauen Standort gibt er jedoch nicht an.

Die Berücksichtung der Flurnamen allein erlaubt es noch nicht den ehemaligen Standort der Ranzenmühle genau zu bestimmen. Geländebeobachtungen sind hinzuzuziehen. Der Mühlgraben ober- und unterhalb der Mühle (sog. Ober- und Untergraben) ist teilweise noch gut zu erkennen. Der Obergraben beginnt genau an der Stelle, an der sich die Wied von einen Prallhang am Westufer unterhalb Strickhausen löst und verläuft meist unmittelbar am Fuße der steilen westlichen Böschung des Wiedtales. Teilweise ist der Graben hier eingeebnet und von der Wied im Laufe der Zeit bei Hochwasser mit Schwemmmaterial verfüllt worden, teilweise ist der Graben mit dern talseitigen Wall noch gut erhalten (Abb. 2). Beiderseits der Stellen, an der die Strange von Berzhausen nach Bettgenhausen den Mühlgraben kreuzt, ist der Graben durch verschiedene moderne Wegebaumaßnahmen verschwunden. "Auf dern Muhlenplatz" folgt der Mühlgraben nur anfangs der Böschung, löst sich dann und läuft geradeaus weiter auf die Wiese. Nach ca. 50 m biegt er wieder in Richtung Böschung um, der er dann weiter folgt. Nach ca. 75 m mündete er an der Stelle in die Wied, an der diese wieder einen Prallhang am Westufer erreicht. Der Mühlgraben erstreckte sich also auf ganzer Lange zwischen zwei westseitigen Prallhangen der Wied.

Dort wo der Graben "Auf dern Mühlenplatz" nicht der Böschung folgt, bildet er ungefähr ein Dreieck von ca. 22 m Länge und einer Breite von ca. 7-8 m (Abb. 3). Der Graben ist hier noch bis zu 0,5 m tief und mit weichem Schwemmmaterial verfüllt. Die von ihm umschlossene Fläche ist dagegen hart und hat eine steinige Oberfläche. Hier wachsen hohe Brennesseln, ein Bewuchsmerkmal von schlechtem, steinigem Boden, aber auch von Kalk im Boden wie ihn z. B. Ruinenstätten mit Mauerversturz aufweisen. Brennesseln sind ein typischer Wüstungsindikator. An dieser Stelle muß die Mühle gestanden haben" 9)(Abb. 1, Kreuz).

Die Mühle stand demnach so nah wie möglich am Hang der Wied. Bei Hochwasser wird zwar die Mühlenstatt überschwemmt, aber durch die Lage am Hang lag sie im "toten" Winkel und war so gegen Treibgut geschützt.

Die Gründe für die Verlegung der Ranzenmühle sind vermutlich in ihrer ungünstigen Verkehrslage, ihrer Gefährdung durch Hochwasser und in der großen Entfernung zu einem Dorf zu suchen. Die an die Mühle gebannten Dörfer des Kirchspiels Flammersfeld lagen – abgesehen von Berzhausen, das später denn auch einem anderen Mahlbezirk angehörte10) – auf der rechten Seite der Wied. Der Zugang zur Mühle war recht beschwerlich: Die steile Böschung des Weges von Bettgenhausen/Reiferscheid nach Berzhausen zur Wied hinab, an deren Fuß der Obergraben entlangführte, über diesen hinweg, wobei Beschädigungen des Grabens, der ja größerer Sorgfalt bedarf, nicht ausbleiben konnten, dann eine scharfe Kehre und weiter über einen schmalen Weg zwischen Obergraben und Wiedbach, in den man bei Unachtsamkeit leicht landen konnte, zur Mühle. Und natürlich den Weg zurück. Der Zugang zur Mühle von Berzhausen, also von der linken Seite des Wiedbaches, erfolgte durch eine Furt, die 1958 durch eine Brücke ersetzt wurde. Ober- und Untergraben verliefen ihrer gesamten Lange nach unmittelbar am Fuß einer steilen Böschung, die mit Bäumen und Strauchwerk bestanden war, so daß von dieser Seite aus Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten, die durch Laub- und Astfall hervorgerufen wurden, nur schwerlich erfolgen konnten.

Die Müller wohnten nicht in der Mühle, sondern in den benachbarten Ortschaften. 1580 ist der Müller wohnhaft zu Berzhausen, später sind die Müller Wilhelm Strickhausen (bis ca. 1665) und Mathias Baldenbach (var 1669-1712) wohnhaft in Strickhausen, seit der Verlegung der Mühle 1684 sicher in Strickhausen. Als 1843 der söhnelose Müller Christian Müller im Alter von 64 Jahren die Mahlmühle an Adam Müller, der seit 20 Jahren die Mühle mitbetreibt, verkaufen will, sagt er über diesen aus: "Adam Müller mit Haus und Hof, kaum 150 Schritte von der Mühle entfernt, bei den Mahlgästen wohlgelitten, ist ein unbescholtener Mann". Die geringe Entfernung des Wohnhauses von der Mühle wird hier ausdrücklich erwähnt.

Insgesamt besaß die Ranzenmühle als Mühle keinen guten Standort. Allerdings war er in der Zeit von var 1470 bis 1684 hinreichend gewesen. Die Anlage der Mühle an der alten Stelle dürfte ihren Grund am ehesten in einem alten Besitz- oder Wasserrecht der Grafen von Sayn haben.

Die Wüstung der Ranzenmühle ist aufgrund ihrer Lage zwischen Berghang und Mühlgraben offenbar nie überpflügt worden. Hier befinden sich also vermutlich ungestörte Reste einer Mahlmühle und einer Ölmühle aus dem Spätmittelalter bzw. der frühen Neuzeit.

Quellen:

1) Heinrich Strickhausen: Die Kirchspielsbannmühle zu Strickhausen, in: Heimatkalender des Kreises Altenkirchen/Westerwald 1969, S. 105-111, 197o, S. 53-64.
Ders.: Mühlen im Kirchspiel Flammersfeld, in: ebda. 1971, S. 41-47.

2) Hans Günter Gewehr: Wüstungen in der Umgebung von Flammersfeld. Ein Beitra zum historischen 0rtslexikon der Rheinlande, in: Rheinische Vierteljahresblätter 11, 1941, S. 278-286, hier S. 280 und S. 284, Skizze B. Gewehr nennt die Mühle irrig "Raizenmühle". Diese Schreibweise geht zurück auf Wilhelm Fabricius: Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der der Rheinprovinz, Bd. V/II, Bonn 1913, S. 235. Dabei handelt es sich sicher um einen Druckfehler, in den Quellen wird die Mühle nie so genannt.

3) "erka" (Erwin Katzwinkel), Lag hier die Ranzenmühle? Flammersfelder Flurnamen berichten von einer verganenen Mühle, in: Deine Heimat, hg. v. Heimatverein des Kreises Altenkirchen" 1/1960, S. 4, 5.

4) VgL H Strickhausen 1971, S. 45.

5) HStA Wiesbaden Abt. 340, Nr. 1376 n.

6) StA Koblenz Abt. 30, Nr. 4849, vgl. H. Strickhausen, 1969, S. 107.

7) Hellmuth Gensicke: Die von Limbach und die Mant von Limbach in: Heimatkalender des Landkreises Neuwied, 1970, S. 99-102, hier: S. 102, leider ohne Quellenangabe.

8) Gewehr, Wüstungen (wie Anm. 2), S. 284, Skizze B.

9) In der Bevölkerung vor Ort ist dies teilweise auch noch bekannt.

10) H, Strickhausen, 1970, S. 61.

Abbildungsnachweis:

Abb. 1, Nachlaß H. Strickhausen (Genehmigung der Veröffentlichung durch das Katasteramt Altenkirchen, 25. 9. 1998),

Abb. 2 und 3 vom Verfasser.