Der Westerwald

von Karl Anhäuser

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Wenn heutzutage über den Westerwald gesprochen wird, meint man damit das gesamte Mittelgebirge zwischen Rhein, Lahn, Dill und Sieg, also den östlichen Nordflügel des Rheinischen Schiefergebirges, zwischen Köln und Frankfurt gelegen.

Der hohe Westerwald - das klimatisch raue Hochland um den Salzburger Kopf und die Fuchskaute - ist das Kerngebiet dieser Landschaft. Die Randgebiete - das Neuwieder Becken, die Siegburg-Hennefer Bucht, das Limburger Becken und das mittlere Lahngebiet - werden erst seit jüngerer Zeit zum geografischen Westerwald gerechnet.

Der Name Westerwald erscheint in der Überlieferung zuerst im Jahr 1048, als der Trierer Erzbischof Eberhard die Kirche von Haiger weihte und die Grenzen ihres Sprengels beschrieb. Dabei wurde der Teil des Waldes, der zwischen der Nister und der Südgrenze des Kirchensprengels lag, wegen seiner geografischen Lage "im Westen des Königshofes Herborn" Westerwald genannt. Dieser Wald mit seinen Außengrenzen, den Grenzen der Herrschaft zum Westerwald mit den späteren drei Kirchspielen Marienberg, Emmerichenhain und Neukirch, war zum Zeitpunkt seiner Ersterwähnung schon kein geschlossenes Waldgebiet mehr, sondern bereits besiedelt. Mehr als drei Jahrhunderte beschränkte sich der Name Westerwald auf dieses Gebiet.

Erst 1390 werden die sechs Diezer Kirchspiele Hundsangen, Nentershausen, Meudt, Salz, Rotenhain und Höhn "auf dem Walde" und 1470 als Kirchspiele "zum Westerwalde" genannt. Eine weitere Ausdehnung des Namens finden wir bereits im 15. Jahrhundert, als 1429 ein Landschreiber "uffem Westerwalde" für Hadamar, Ellar und Driedorf begegnet. Ein Reitergedicht um 1450 hat nicht nur den Reim "Kompstu denn auf den Westerwalt, da ist es sommer und winter kalt", sondern rechnet auch Schönstein und Koberstein im Nordwesten zum Westerwald, den Seelbacher Grund und Friedewald jedoch nicht eindeutig.

1517 werden Liebenscheid und Rabenscheid und 1527 Elsoff zum Westerwald gerechnet. Eine kaiserliche Schrift an die Reichsritterschaft kennt 1547 den Westerwald auf beiden Seiten der Lahn. 1608 wird in einem historischen Bericht der "Westerwald über der Lahn" zum Westerwald gerechnet, ebenso die Grafschaften Isenburg, Wied und Sayn. Der Geograf J. H. Dielhelm rechnet wenig später die Fürstentümer Nassau-Siegen, Dillenburg und Hadamar, Beilstein und die Grafschaften Wittgenstein, Leiningen-Westerburg und Wied zum Westerwald. Seit dem 17. Jahrhundert, als sich die Grafen von Wied, Sayn und Leiningen-Westerburg zu einem "Westerwälder Kreis" zusammenschlossen, hat sich der Name auch auf den vorderen Westerwald ausgedehnt. 1819 wird in einem geografischen Lehrbuch am rechten Rheinufer der Westerwald genannt, der "sich von Montabaur an zwischen den weithin befindlichen Quellen der Dill, Sieg und Lahn bis an das Wittgensteinische erstreckt". Ein anderes geografisches Handbuch rechnet 1823 noch die Fürstentümer Siegen und Dillenburg und die Herrschaft Homburg nördlich der Sieg zum Westerwald.

Etwa seit 1900 wird der Name im heutigen Sinne gebraucht. Gegenwärtig gehört mit den Landkreisen Neuwied, Westerwaldkreis und Altenkirchen der weitaus größte Teil des Westerwaldes zum Bundesland Rheinland-Pfalz. Seit etwa 1890 ist der Westerwald ein beliebtes Ausflugsziel für Wanderer und Urlauber geworden. Nicht zuletzt aber hat das Soldatenlied "Oh du schöner Westerwald" die Landschaft bekannt gemacht.

"Hui! Wäller?" - "Allemol!" ist der Erkennungsruf der Westerwälder. Wie es dazu kam? Im Herbst 1913 schrieb der Vorsitzende der Ortsgruppe Bonn des Westerwaldvereins einen Wettbewerb aus. Gesucht wurde ein Erkennungsruf für alle Westerwald-Wanderer. Als Preis für die beste Idee wurden 12 Flaschen Wein ausgesetzt. Aus mehr als 60 Vorschlägen ging der Bauerndichter Adolf Weiß aus Mademühlen als Sieger hervor. Als Erläuterung zu seinem Vorschlag schrieb er diese poetischen Zeilen: "Das Hui, das hat mich der Sturmwind gelehrt, wenn wild über unsere Heide er fährt. Und Wäller wir ja allemol sind."

"Wäller" ist von Wald abzuleiten und hat nur indirekt einen Bezug zum Namen Westerwald. In der älteren Sprache bedeutete Wald nicht immer Wald schlechthin, sondern auch Bergwald und Waldgebirge. Die Römer hatten bei den großen Waldgebieten Germaniens die Vorstellung von einer Wildnis und sahen als Gegensatz dazu die offenen, fruchtbaren und besiedelten Landstriche.

Wie auch die Höhenzüge des Hunsrücks in der Volkssprache "Wald" genannt werden, nennen die Bewohner und Nachbarn den Westerwald gleichfalls "Wald". Die Bewohner werden "Wäller" genannt. Daraus ist auch der Familienname "Wäller" *) oder "Weller" *) entstanden, der ja nicht selten im Westerwald, in seinen Randgebieten und in den Industrieballungsräumen Köln und Frankfurt vorkommt. Er kann als Herkunftsnamen entstanden sein - in der Fremde gegeben, nach der Abwanderung des Ahnherrn aus seiner Heimat - oder primär z.B. aus einer Händler- oder Handwerkerbeziehung in der Fremde, wie z.B. auch bei den Familiennamen Eifler (= aus der Eifel) oder Mosler (= von der Mosel).

Einige Wäller-Redewendungen als altes Sprachgut sollen hier noch folgen: "Wäller Vee" (= die Westerwälder Rinderrasse), "Wäller Glies" (= Kartoffelklöße) oder "Wäller Toffelsqueller"; so nannten früher die Siegerländer die Westerwälder, um sie zu ärgern.

Melander von Holzappel, Generalfeldmarschall im Dreißigjährigen Krieg, soll mal gesagt haben:

"Ich bin ein Deutscher und noch dazu ein Westerwälder; das will soviel heißen wie zwei Deutsche!"

Wer sich neben der Ahnenforschung noch etwas intensiver mit der Westerwälder Orts- und Landesgeschichte befassen will, dem ist das Standartwerk schlechthin zu empfehlen:

Gensicke, Hellmuth - Landesgeschichte des Westerwaldes - 2. Nachdruck - Wiesbaden 1987 - ISBN 3-922244-80-7.

*) Anmerkung

Nach einer Feststellung von Horst Weller ist die Darstellung nicht haltbar, da ihm aus eigenen Forschungen bekannt ist, dass der Name von den "Lehmhausbau-leuten" kommt. Heute würde man wohl Maurer sagen.

Der Name "Wäller" soll hingegen von Wallen oder Sieden entstanden sein.