Birnbach

Birnbach im Westerwald - Eine geschichtliche Betrachtung

Das Hohe Gericht Birnbach


Birnbach im Westerwald

Eine geschichtliche Betrachtung

Von Frank Schumann

Wenn der Ort im Jahr 1981 seinen 850sten Geburtstag feierte, dann ist damit zunächst noch nichts über das genaue Alter des Dorfes gesagt. Anhaltspunkt für das Große Fest war die erste urkundliche Erwähnung Birnbachs im Jahre 1131. Logischerweise ist der Ort älter. Die Einschätzungen in der heimatgeschichtlichen Forschung liegen dabei mehrheitlich auf der Zeit zwischen dem 5. und 6. Jahrhundert.

Wenn auch die genaue Entstehung Birnbachs im Reich der Mutmaßung bleiben muss, so kann man doch davon ausgehen, dass der Ort nach der Zeit der Völkerwanderung im frühen Mittelalter (Frankenzeit?) gegründet wurde. Maßgeblich für die Gründung Birnbachs dürfte wohl die geographische Lage des Ortes gewesen sein. Der Standort in der Quellmulde des Birnbaches bot beides, Wasser und Schutz vor der Witterung. Entscheidender könnte aber noch gewesen sein, dass sich Birnbach (für damalige Verhältnisse) verkehrsgünstig an einer wichtigen Handelsstraße befand. Die alte Heerstraße, die von Antwerpen über Lüttich nach Köln verlief, wurde über den Westerwald weitergeführt und bot mit der Abzweigung in Altenkirchen (5km östl. von B.) eine Verkehrsanbindung nach Leipzig ebenso wie in Richtung Limburg/Frankfurt.

Diese Straße, die in späteren Jahren wegen ihrer Trassenführung durch den Westerwald die "Hohe Straße" genannt wurde, ging mitten durch den Auelgau, einem Gebiet, das sich von der Siegmündung bis in den Westerwald erstreckte und zu dem folglich auch Birnbach gehörte.

Innerhalb dieses Gaues, dessen Herren nach den Konradiner und Pfalzgrafen mit dem Beginn des 2. Jahrtausends die Grafen von Sayn waren, gab es mehrere Untereinheiten, die im Prinzip Gerichtsbezirke waren und Zenten genannt wurden. Auch die Zent Birnbach war eine solche Untereinheit im Auelgau. Innerhalb dieser Zent besaß der Bonner Stift St. Kassius und Florentius die Abgaberechte an einigen Kirchen und Höfen, zu denen auch die Kirche und der Hof zu Birnbach gehörten. Dieses Recht wurde von Papst Innozenz II. im Jahr 1131 dem St. Kassiusstift bestätigt ("Curtim Berenbach et eccleesiam cum tota decima") und war das Belegdatum für die o.g. 850-Jahr-Feier der Birnbacher.

In dieser Zeit (nach 1100) gelangte Birnbach zu einer gewissen überregionalen Bedeutung. Die Zent Birnbach umfasste ein Gebiet von Stadt Blankenburg bis Alpenrod (b. Hachenburg) und von Hamm a.d. Sieg bis Flammersfeld. Bis ins 16. Jahrhundert war deshalb in Birnbach auch der Gerichtsplatzes der Zenten. 1268 erstmals als "officium de Byrenbag" benannt, wird in Birnbach sowohl ein Hof- als auch ein Hohes Gericht ("Hohe Feste") unterhalten. 1464 verlegt man die auch für Kapitalverbrechen zuständige Hohe Feste vor die Tore Altenkirchens, während das Hofgericht, 1556 letztmalig bezeugt, in Birnbach wohl bis zur Einführung der Reformation weitergeführt wurde.

Die Reformation hielt in Birnbach 1561 Einzug. Nachdem der St. Kassiusstift die Zent 1558 an den Grafen Johann I. von Sayn verpachtet hatte, führte dieser als Grundherr drei Jahre später das lutherische Bekenntnis in Birnbach ein. 1605 übernahm Graf Wilhelm von Sayn-Wittgenstein die Herrschaft und lies wie schon 1561 einen Bekenntniswechsel folgen. Unter dem Calvinisten Wilhelm wurde das Kirchspiel evangelisch-reformiert. Dieser Bekenntnisstand blieb dann bis 1820 erhalten. Unter der preußischen Herrschaft wurden im ganzen Land die lutherischen und reformierten Kirchen zu evangelisch-unierten Kirchen (zwangs-)vereint. Dabei ist es dann bis heute geblieben.

Nach dem Verlust der Gerichte und dem Ende der Reformationszeit ist Birnbach dann etwas in das regionalgeschichtliche Abseits geraten. Einzig die Errichtung der Poststation im Jahr 1620 zeugt davon, dass Birnbach verkehrstechnisch noch eine gewisse Relevanz hatte.

Birnbach fristete ein Dasein wie so viele Dörfer im Westerwald. Die Einwohnerzahlen stiegen in dieser Zeit nur spärlich. Denn die Landwirtschaft ernährte in ihrer Abhängigkeit von Wetter und Klima die von Abgabenlasten bedrückten Bewohner der Dörfer mehr schlecht als recht. Die Wirren des 30jährigen Krieges (1618 - 1648), die schlimmen Auswirkungen der Pest in den Jahren 1665 - 1666 und die Belastungen durch die Einquartierungen während der französischen Revolutionskriege (1792 - 1797) konnten deshalb nur unter großer Aufopferung ertragen werden. Es ist verwunderlich, dass in dieser Zeit nur eine Auswanderung nach Amerika belegt ist.

So traf auch F.W. Raiffeisen, als er 1845 seine Stelle als Amtsbürgermeister in Weyerbusch antrat, dort und in den zum Amt gehörigen Dörfern (u.a. Birnbach) auf Menschen in desolaten wirtschaftlichen Verhältnissen.

Raiffeisens von genossenschaftlichen Ideen geprägte Wirken bedeutete auch für viele Birnbacher eine Hoffnung im täglichen Existenzkampf und eine Konsolidierung der Lebensverhältnisse. Darüber hinaus zeigt aber die Tatsache, dass Raiffeisen Amtsbürgermeister in Weyerbusch wurde, noch einmal den schleichenden Bedeutungsverlust des ehemaligen Gerichtsortes Birnbach. Einzig die Kirche und damit das Zentrum der dazugehörigen Kirchengemeinde wiesen Birnbach noch ein besonderen Status innerhalb der umliegenden Dörfer zu.

Die Entwicklung Birnbachs verlief seit Mitte des 19. Jahrhunderts unspektakulär. Kaiserzeit, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und die Bundesrepublik lösten in Birnbach keine politischen Erdbeben aus. Dass der erste Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz (Wilhelm Boden) in Birnbach wohnte, war dabei eher zufällig und nur durch die Wohnortwahl des Politikers bestimmt. In Birnbach gab man sich eher den normalen dörflichen Anliegen hin.

Birnbach ist zum Zeitpunkt, da dieser Artikel geschrieben wird, offiziell 872 Jahre alt. Der Beginn des Ortes liegt noch weiter zurück. Damit ist Birnbach deutlich älter als z.B. unsere Bundeshauptstadt Berlin. Daraus jetzt zu schließen, dass die Entwicklung Birnbach kontinuierlich bergab gegangen wäre, ist aber zu kurz gedacht. Letztlich kommt es einzig und alleine darauf an, was die Menschen aus ihrer Geschichte machen und wie sie sich in ihrem Wohnort einrichten.

Dass die Birnbacher sich anscheinend wohl fühlen in ihrem Ort, zeigt die in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegene Einwohnerzahl.

(gekürzte Fassung)

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Birnbacher Gerichtsbarkeit im Mittelalter

Das Hohe Gericht Birnbach im Westerwald

Nach einen Vortrag von Herrn D. Sommerfeld, Verein für Heimat- und Brauchtumspflege Altenkirchen/Westerwald

(hier veröffentlicht mit Zustimmung des Kreisheimatvereins Altenkirchen)

Dass im Mittelalter in Birnbach das hohe Gericht tagte, wird in vielen Geschichtsbeschreibungen erwähnt und ist allgemein bekannt. Weniger bekannt ist die Bedeutung dieses Gerichtes und die Größe seines Zuständigkeitsbereiches Die allgemeinen Vorstellungen von dem alten Gericht in Birnbach sind meist etwas verworren, da in Birnbach drei Gerichte auftraten und deren Funktionen oft nicht auseinandergehalten werden. Hinzu kommt, dass bei der Erwähnung der früheren Gerichte auch gleich die Phantasie ihren Raum gewinnt und man grausame Leibesstrafen und den armen Sünder am Galgen vor sich Sieht. Genährt wurden diese Vorstellungen noch zusätzlich von den Flurnamen, die auf die alten Hinrichtungsplätze hinweisen. Hier spielt auch der Galgenberg, der häufig als Flurnamen, so auch in Birnbach und Nachbargemarkungen als Relikt auftaucht, eine besondere Rolle.

In der Tat besaß das hohe Gericht in Birnbach die Blutgerichtsbarkeit und es wurden hier auch die für uns grausamen Strafen des Mittelalters verhängt und ausgeführt. Daneben bestand hier aber auch noch das Kirchspielgericht und das Hofgericht des Bonner St. Cassiushofes, die keine Strafe verhängen durften, bei denen Blut floss.

Um die Bedeutung des Hohen Gerichtes oder der Hohen Veste Birnbach zu erfassen, muss man schon einen Blick in die allgemeine Rechtsgeschichte und in die Funktion der Gerichte der Frühzeit nehmen. Nur so ist auch zu verstehen, welchen Einfluss die Hohe Veste Birnbach auf die Entstehung der Grafschaft Sayn hatte.

Beim Studium der umfangreichen, einschlägigen Literatur stellte ich allerdings fest, dass eine verständliche, kurze Darstellung der Gerichtsgeschichte ein schwieriges Unterfangen ist, da es sich um ein sehr komplexes, kompliziertes Gebiet handelt. Unterlagen aus der Frühzeit unserer Region fehlen und man ist deshalb bis etwa ins 14. Jahrhundert auf Vergleiche und Mutmaßungen angewiesen.

Wann das hohe Gericht in Birnbach zum ersten mal tagte liegt im Dunkeln und wird auch kaum je zu erfahren sein. In der Frühzeit und auch lange danach bis in die Neuzeit wurden keine Gerichtsprotokolle angefertigt. Es galt das gesprochene Wort. Wir dürfen aber annehmen, dass in Birnbach schon in fränkischer, spätestens jedoch in der karolingischen Zeit eine Gerichtsstätte war.

Diese Annahme wird durch die verhältnismäßig frühe Erwähnung z.B. 1261 als offium Byrenbag und 1262 erscheinen urkundlich bei einem Besitzwechsel in GehIert die Schultheißen Conrad von lngelbach und Ludwig von Hasselbach, die zur hohen Veste Birnbach gehörten.

Zusätzlich gibt auch der Gerichtsplatz, den wir in der Nähe von Oberölfen vermuten ,also nahe an einer Stätte die einen ursprünglich keltischen Namen trägt. Die Möglichkeit auf ein hohes Alter vielleicht sogar auf eine gewisse Mystik zu schließen .

Der Ablauf der Gerichtstage hat sich lange in der Form der germanischen Dinge erhalten.

Lediglich die Zuständigkeit, die Leitung und die Urteilsfindung änderten sich.

Schon im germanischen Recht unterscheidet man, das gebotene Ding und das ungebotene Ding. Das ungebotene Ding war die regelmäßige Versammlung, die in bestimmten Zeitabständen meist bei Mondwechsel zusammentrat und zu dem nicht eingeladen wurde und trotzdem jeder Freie erscheinen musste. Dabei wurden alle Dinge verhandelt, die die Siedlungsgemeinschaften betrafen z.B. Landverteilung, Rechte und Pflichten, wie auch angefallene Vergehen behandelt.

Das gebotene Ding wurde in Eilfällen zusammengerufen, weil ein besonderer Anlass bestand.

Dies waren zugleich Heeresversammlungen und es war Pflicht in Waffen zu erscheinen. Meist war es auch eine Opferversammlung. Getagt wurde in einem geweihten Ring, der feierlich ,,gehegt" wird und unter dem Bann der Priester steht. Die kultischen Funktionen kann aber auch durch Fürsten übernommen werden.

Im germanischen Recht wurzelt auch ein Teil der Strafformen, die in der christlichen Zeit übernommen und ergänzt wurden.

Die Todesarten für die verschiedenen Delikte erhielten sich noch bis ins hohe Mittelalter.

Diebe wurden gehenkt, Mörder gerädert, Notzüchter enthauptet,

Sittlichkeitsverbrecher im Sumpf versenkt, Zauberer und Hexen verbrannt.

Das Urteil zu finden oblag dem Volk, also den Dinggenossen. Es gab kein Gesetzeswerk, sondern man handelte nach dem Gewissen und der Überzeugung.

Das Urteil spricht das Volk und auch die Hinrichtung wurde von ihm gemeinsam durchgeführt. Wenn auch nicht jede Todesart von allen gemeinsam durchgeführt werden konnte, wie es beim steinigen möglich war, so wurden wenigstens die Vorbereitungen gemeinsam durchgeführt.

Es wurde z.B. der Galgenbau und die Errichtung des Scheiterhaufens von der Gemeinschaft durchgeführt. So war jeder am Urteil beteiligt.

Bei der Gründung des Frankenreiches bis in die karolingische Zeit erfährt die Gerichtsbarkeit dann eine Entwicklung, die den Einfluss des Königs wesentlich erhöht.

Bis dahin hatte man zum Grund und Boden nur ein loses Verhältnis. Jetzt als die Völkerwanderung langsam zu Ende geht und das Sesshaftwerden sich vertiefte und durch die Eroberungen sich der Grundbesitz erhöhte, erhielt der König in dessen Hand sich der größte Besitz, wenn auch hauptsächlich nur als Verwaltungsgebiet zusammenballte, eine Machtstärke.

Er wird auch oberster Gerichtsherr. Nachdem das Reich in Gaue eingeteilt worden war, wurden vom König , Grafen als seine Beamte, in den Gauen zur Gerichtspflege ernannt.

Der Graf war also nur Beamter.

Dies alles diente dazu um das Reich, das unter dem Merowinger Chlodevech < 481 - 511 ) schon einen beträchtlichen Umfang erreicht hatte, möglichst zentral verwalten zu können. So wurden die Gaue geschaffen und ein Beamter, eben der Graf, in diesen zur Kontrolle eingesetzt.

Sein Amt war zunächst nicht erblich und er war auch weniger der Graf des Gaues, sondern mehr Graf im Gau. Zu seinen Aufgaben zählten, ungefähr in der Mitte des 8. Jahrhundert, verschiedene Dinge, die schon voraussehen ließen, dass dieses Amt irgendwann eine Selbstständigkeit erlangen wird.

+Der Graf hatte die militärische Aufgabe der Aushebung und Ausbildung einer Mannschaft, die er auch ins Feld führte.

+ Er hatte auch die Polizeigewalt, z.B. bot er auch zur Verfolgung (Landfolge) gegen -Gewaltverbrechen auf, überwachte Märkte, zog die Pflichtigen zu öffentlichen Arbeiten -(Straßen, Brückenbau) heran und auch zum Postdienst.

+Der Graf führte auch die Finanzverwaltung, d.h. er wacht über die Abgaben.

-Eingänge waren Zölle, Straßengelder, Schifffahrtsabgaben an den Grenzen auch Binnenzölle,

-ferner Marktzölle usw.

-Zölle waren eine der Haupteinnahmequellen. Aber auch Herdgelder, Kopfsteuern, Münz-Salz, -Forstregalien, Domäneneinnahmen und vieles mehr zählte zu seiner Verwaltung.

Schließlich hatte der Graf noch richterliche Funktionen, die noch beschrieben werden.

Ein festes Einkommen hatte der Graf nicht. Er bekommt von den Friedensgeldern (Bußen) ein Drittel. Aber er hatte ein Amtsgut, aus dem er den Nutzen ziehen konnte.

Diese Verwaltungsform lief nur bis 614 gut. Dass auch Unfreie Grafen werden konnten, war den Grundbesitzern nicht recht . So musste im Jahre 614 n.Chr. König Chlotar II in Paris ein Edikt erlassen, dass die Grafen nur aus den Grundbesitzern des Gaues oder der Grafschaft (wie der Verwaltungsbezirk auch schon genannt wurde), bestellt wurden. Später wurde der Titel dann sogar erblich. Der Gau wurde noch einmal unterteilt und zwar in Centene. Eine Zent können wir als den Zuständigkeitsbereich eines Gerichtes ansehen.

Auch diesem Gericht stand der Graf des Gaues über. Das heißt er war wie bei den Grafengerichten, die im übrigen seit Karl dem Großen nur noch 3 mal im Jahr stattfanden, für den Ablauf verantwortlich. Ein solches Zentgericht, ,,ein hohes Gericht", war in Birnbach, und als deren Vorsitzende dürfen wir schon früh die Grafen von Sayn vermuten. Die Gaugrafen ließen sich nämlich an diesen Gerichten auch durch Zentinare vertreten. Aus diesen entstanden dann die Zentgrafen oder Untergrafen. Die Entstehung der Grafschaft Sayn als bekannt vorausgesetzt, darf man vermuten, dass die Grafen von Sayn ihren Titel, den sie bei ihrem ersten Auftreten 1134 in den Urkunden führen, über einen solchen Gerichtsvorsitz, vielleicht vom Gericht Birnbach , erhielten. Mit Sicherheit hat der Vorsitz des Birnbacher Gerichtes, das die Blutgerichtsbarkeit besaß, den Grafen von Sayn zu ihrer anfänglichen spontanen Entwicklung und zur Macht verholfen.

Seit Karl der Große das Recht und die Gerichtsbarkeit einschneidend geändert hatte, war die Gerichtshoheit ein echter Machtfaktor geworden. Es wurde jetzt auch nicht mehr vom Volk nach dem Gewissen des Urteil gefällt, sondern es werden Schöffen mit der Urteilsfindung betraut. Diese urteilten nach der ihnen bekannten Überlieferung, die später dann auch in Weisthümern festgehalten wird Als Vorsitzender wird der Graf durch den Schultheiß abgelöst.

Quellenhinweise: u.A.

Hellmut Gensicke; -Landesgeschichte des Westerwaldes

-Hachenburg in Geschichte und Gegenwart = Vom Mittelalter zur Neuzeit

Eigen Heyn; -Der Westerwald und seine Bewohner

Mittei - Liebrich; -Deutsche Rechtsgeschichte

Pleticha, Heinr. Hbg; -Deutsche Geschichte

Div. Archivmaterial

"DIE HOHE FESTE BIRNBACH"

In den vorangegangenen Ausführungen wurde schon angedeutet, wie sich die Gerichtsbarkeit vom Volksgericht der Germanen zum Königsgericht der Franken entwickelt hat.

Die Gerichtsbarkeit formte sich zu einem Obrigkeitsgericht.

Karl der Große hatte durch die Einführung der Zentralverwaltung, wie schon vor ihm die Merowinger Könige, auch die Gerichtsbarkeit zentralisiert. Ja, er gab sogar schon Gesetze bzw. Anordnungen heraus, die die Überlieferungen ergänzten. Auch wurden in der Zeit schon Rechtsordnungen schriftlich niedergelegt wie z.B. der Sachsenspiegel, Schwabenspiegel und andere. Das Gericht selbst wurde natürlich mit der Annahme des Christentums von dem heidnischen Kult in eine christliche Mystik umfunktioniert. Die ganze Entwicklung hatte zur Folge, dass der Gerichtsvorsitz ein privilegiertes Recht und eine Macht darstellte. Die vom König bestellten Grafen für die Gerichtspflege, wuchsen so aus dieser Stellung zu Territorialherren in den ihnen anvertrauten Gebieten heran. Besonders günstig für eine solche Herrschaftsübernahme war es, wenn neben der Gerichtsverwaltung noch zusätzlich ein großer Grundbesitz im dem Gebiet ihr Eigentum war oder auch unter ihrer Verwaltung stand, z.B. geistliche Besitzungen.

Wenn Gerichtsbarkeit und Besitz in verschiedenen Händen in den Gebieten war, trat natürlich bei dem Anspruch auf die Landesherrschaft eine Rivalität ein (z.B. bei den Grafen von Wied).

Die Grafen von Sayn hatten das Glück, dass in ihrem Bereich beides in ihrer Hand lag.

Sie besaßen die Vogtei über den umfangreichen Besitz des St. Cassiusstiftes und das Zentgericht Birnbach als Hohes Gericht und somit auch die Blutgerichtsbarkeit.

Das Gericht Birnbach war mit seinem großem Einzugsgebiet ein wesentlicher Machtfaktor.

Es zählten zu ihm im Gegensatz zu den später etwa im 16. Jahrhundert auftretenden Centgerichten, die nur für ein Kirchspiel zuständig waren, mehrere Kirchspiele. Der größte Teil des Auelgaues, soweit er in den Westerwald reichte, gehörte zur Hohe Feste Bimbach.

Noch im 14. - 15. Jahrhundert als die Grafen von Sayn schon die Landesherrschaft besaßen, umfasste die Hohe Feste die Kirchspiele Hamm, Mehren, Altenkirchen, Flammersfeld, Leuscheid, Birnbach, Altstadt, Hachenburg, Kroppach und Alpenrod.

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Fundstück:

Anno 1430

Mit einer Urkunde melden die Gebrüder Engelbrecht und Johann Grafen zu Nassau und Vianden dem Gericht Bimbach, dass sie ihren Hof zu Geilnhußen dem Johann von Seelbach zu Lehen gaben.

Solche Urkunden, z.B. auch von den Grafen von Wied, sind mehrere erhalten geblieben.

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Sogar in Blankenberg wird 1339 ein Birnbacher Richter am Geistinger Gericht tätig, von dem es heißt, er sei der Richter (instiario) im Land Blankenberg.

Im übrigen wird bei der ersten urkundlichen Erwähnung 1267 auch Blankenberg als im Üfficium Byrenbach gelegen genannt, das heißt es gehörte in die Gerichtsbarkeit von Bimbach.

Dass uns aus der frühen Zeit des Birnbacher Gerichtes so wenig Nachrichten erhalten geblieben sind, liegt nicht zuletzt daran, dass nur wenige Urkunden ausgestellt wurden. Es wurden keine Gerichtsprotokolle angefertigt. Besonders nicht vom Blutgericht.

Hier wurde angeklagt , das Urteil von den Schöffen gesucht und gefunden und danach vollstreckt.

Damit war die Sache abgeschlossen. Urkunden wurden nur über Dinge ausgestellt, die nicht zum Gericht gebracht werden konnten z.B. Grundbesitz. 

Wie dürfen wir uns nun den Ablauf des Hohen Gerichtes in Birnbach vorstellen?

Wenn wir den Ablauf ins 14. - 15. Jahrhundert legen, danach wurde ohnehin das - Gericht nur noch als Feste vor Altenkirchen genannt, dann können wir folgendes annehmen, wenn wir bei den Details nicht zu kleinlich sind.

Wie seit altersher traf am Gerichtsplatz zu dem Termin, an dem das Hohe Gericht tagte, jedermann der ins Bimbacher Gericht gehörte (dingpflichtig war) ein.

Der Gerichtsort, den wir bei Oberölfen vermuten können, war wohl seit früherste Zeit der gleiche. Es versammelte sich dort sehr viel Volk, denn es musste jeder Mann erscheinen.

In der Gerichtsordnung die 1465 Graf Gerhard II von Sayn aufstellt heißt es, dass jeder Mann der älter als 12 Jahre ist, vor das Gericht gehört. Bei der Vorstellung von dem Gerichtsplatz müssen wir also von einem größeren Terrain ausgehen. Wenn das Volk versammelt war und der Graf oder dessen Schultheißen sich von der Rechtmäßig- und der Richtigkeit des Gerichtes überzeugt hatte, konnte das Gericht beginnen.

Der Richter nahm auf einem Stuhl platz und um ihn saßen die Schöffen. Sie setzten sich aus den Richtern der Kirchspiele zusammen. In der Hand hatte der Richter einen Stab, ein Rechtssymbol, das noch in die germanische Zeit zurückreichte. Noch heute erinnert das Sprichwort ,,über jemand den Stab brechen" an diesen Brauch, denn wenn der Richter den Stab durchbrach war das Urteil z.B. das Todesurteil unwiderruflich gefällt.

Vor dem Richter tritt nun der erste Kläger, der z.B. einen Diebstahl anzeigt. Er meldet nicht nur den Diebstahl, sondern nennt auch den Dieb. Eine öffentliche Rechtsverfolgung gab es nicht.

Jeder musste selbst dafür sorgen, dass der Übeltäter vors Gericht kam. Wurde der Dieb überfiihrt oder war er auf frischer Tat ertappt worden, so berieten die Schöffen und nannten dem Richter ihr Urteil. Der verkündet laut, sich auf das Schöffenurteil, das aus der Überlieferung gefällt wurde berufend, dass der Dieb hängen soll. Die Vollstreckung erfolgt nicht am Gerichtsplatz, sondern an anderer Stelle z.B. auf dem Platz in der Birnbacher Gemarkung, die noch heute Galgenberg heißt. Nachdem noch andere erscheinen und Klage erheben, die dann nach der jeweiligen Erkenntnis abgeurteilt werden, kommen auch noch Besitzwechsel und andere Streitigkeiten oder Rechtsansprüche vor das Gericht. Zum Teil werden diese Dinge urkundlich festgehalten und vom Gericht besiegelt. Von solchen Urkunden sind uns dann auch einige erhalten. Nach Abschluss der Gerichtstagung werden auch gleich unter Anwesenheit des Volkes die Urteile vollstreckt.

Der Dieb wird gehängt und je nach Delikt auch die weiteren Übeltäter bestraft. Damit ist das Gericht entgültig zu Ende.

Die üblichen Todesstrafen sind im 1. Teil der Ausführungen schon aufgeführt. Sie wurden im übrigen in der damaligen Zeit weniger verhängt als allgemein angenommen wird.

Erst später so im 15. -17. Jahrhundert, besonders als die Kriegszeiten waren, und dann bei den Hexenprozessen usw., wurde mit dem Leben der Menschen leichtfertiger umgegangen. Aber auch bei den anderen leiblichen Strafen ging es nach unserem Verständnis nicht gerade human zu.

Das Hörige (Leibeigene) nicht als Menschen, sondern als Sache behandelt wurden ist dabei nur eine Verwaltungssache. Leibesstrafen waren meist mit einer Verstümmelung verbunden. Zum Beispiel wurde bei Gotteslästerung die Zunge entfernt und bei Meineid und Falschmünzerei die Hand abgeschlagen. Die ganze Geschichte des Strafvollzuges zu berühren übersteigt die Aufgabe dieser Ausführung. Obwohl hier noch viel Berichtenswertes und interessantes zum allgemeinen Verständnis beizutragen wäre.

Nun einige Daten zur Birnbacher Feste:

1262 Schultheißen der Hohen Feste Bimbach sind Ludwig von Hasselbach und Conrad von Ingelbach. Aus der

damals erstellten Urkunde können wir auf die Zugehörigkeit Hachenburgs zur Feste Bimbach schließen

1267 Bimbach wird als Officium bezeugt. In der Urkunde in welcher Gottfried 1 von Sayn und seine Gemahlin Jutta sich mit Dietrich von Heinsberg einigen und auf das Schloss Löwenberg verzichten und ihm eine beschränkte Jagd in Freusburg einräumen, steht u.a. folgendes

****Darüber hinaus verzichtet er auf 10 Mark, welche einst der Sohn des Christian von Blankenberg, als sein Eigentum für sein Burglehen in Blankenberg im officio Byrenbag gelegen...

1339 Ein Richter Hermann gen. Byrenbach zu Geistingen und im Land Blankenberg wird dort urkundlich erwähnt. Es gehörte Blankenberg demnach noch zum Gericht Birnbach

1430 - 33 In verschiedenen Urkunden wird das Birnbacher Gericht als ,,dat hoe gereichte" bezeichnet.

1431 Bei einem Besitzerwechsel in Reiferscheid wird das Gericht Freigericht genannt

,,dat vrygerichte".

1446 Der Schultheiß von Altenkirchen ist gleichzeitig Schultheiß der Hohen Feste Birnbach.

1464 Die Hohe Feste Bimbach wird zur ,,Veste bussen Aldinkirchen".

Das Gericht tagt vor der niederen Pforte Altenkirchens. Wahrscheinlich im Zuge der Gerichtsneuordnung des Grafen Gerhard II wurde das Gericht zu Altenkirchen, dem bekannteren Ort und Verwaltungssitz, zugeordnet.

Möglicherweise wurde noch der alte Gerichtsplatz beibehalten.

1490 Das Gericht Birnbach wird noch einmal als Grundgericht erwähnt. Birnbach ist danach nur noch Sitz des Kirchspielgerichtes.

Darüber hinaus tagt hier noch das Hofgericht des St. Cassiusstiftes in Bonn.

Letztmalig bezeugt 1556.

 

Quellenhinweis

1. Hellmuth Gensicke, 5. 416 Landesgeschichte des Westerwaldes

2. Gensicke - Hachenburg in Geschichte und Gegenwart -Vom Mittelalter zur Neuzeit, 5. 58

3. Flurkarten weisen noch heute den Flurnahmen ,,Gerichtsplatz" aus, im Umkreis finden wir auch den Galgenberg

4. Eigen Heyn -Der Westerwald und seine Bewohner -

5. 125, Heyn legt den Beginn der Westerwälder Gerichte

in die heidnische Zeit

5. Gemeint sind hier die germanischen Fürsten, die vom Volk gewählte Heerführer darstellten.

6. Die Karolinger zählten auch zu den Franken, sie waren aus der Sippe der Arnulfinger und Hausmeier (Regierungschef) bei den Merowingerkönigen, sie nutzten deren Verfall für ihren Aufstieg. Ihre Zeit, besonders wahrend Karl dem Großen, war so markant, dass sie hier extra erwähnt wurden, obwohl auch ihre Epoche zum Frankenreich zählt.

7. Unter Postdienst ist die Beförderung von Kanzleisachen Spann- und Herbergedienste konnten nur durch die kgl. Kanzlei gefordert werden.

Auf weitere einzelne Quellenangaben musste verzichtet werden,

um den Aufwand in Maßen halten zu können. Genutzt wurden z.B.

H.Gensicke - Landesgeschichte des Westerwalde Mittei - Liebrich -Deutsche RechtsgeschichteHeinr.Pleticha (Hgb.) -Deutsche Geschichte Archivmaterial LHK, Best 30, WHstA 34o

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