Aus den Jahrbüchern 1982 + 86 des Kreisheimat Verein Altenkirchen-Westerwald
Nachdruck mit dessen Erlaubnis
Die Entstehung der Ortsbezeichnung
Eine mittelalterliche befestigte Anlage in Neitersen
Die Entstehung der Ortsbezeichnung
Autor: Wilhelm Hundhausen
Im Jahre 1882 wurde mit dem Bau der Eisenbahnlinie Siershahn-Altenkirchen begonnen. In dem Gemeindebereich von Birnbach-Neiderschen wurde ein Bahnhof erstellt. Birnbach-Neiderschen trug diesen Namen, weil die Gemeinde dem Kirchspiel Birnbach der Grafschaft Sayn-Hachenburg zugesprochen war.
Dagegen trug die Nachbargemeinde den Namen Schöneberg-Neiderschen; sie gehörte ursprünglich der Grafschaft Sayn-Altenkirchen an. Im Jahre 1892 wurden die Gemeinden Neitersen und Niederölfen von dem Kirchspiel Bimbach getrennt und dem Kirchspiel Schöneberg zugeteilt.
Von der Baubehörde wurde angefragt, welchen Namen der Bahnhof erhalten sollte. Der damalige Ortsvorsteher von Birnbach-Neiderschen Friedrich Hoben gab den Namen Neitersen an. Auf den Beschilderungen des Bahnhofsgeländes wurde daraufhin der Name ,,Neitersen" angebracht. Die Eröffnung der Eisenbahnstrecke fand am 30.5.1884 statt. Es war für die Westerwälder ein großes Ereignis. Berichtet wird, daß die ersten Personenzüge mit Böllerschüssen begrüßt wurden. Mit dem Tag der Eröffnung der Eisenbahnstrecke richtete auch die Post eine Posthilfsstelle mit Fernsprechbetrieb ein, die dem Postamt Altenkirchen unterstellt war. Auch die Post führte den Namen ,,Neitersen". Die Postzustellungen wurden jedoch zunächst weiterhin vom Postamt Altenkirchen vorgenommen. Der vorhandene Postkutschenverkehr wurde weiter durchgeführt. Im Jahre 1885 wurde die Posthilfsstelle in eine Postagentur umgewandelt. Die Postzustellungen fanden nun von Neitersen aus statt. In dem ersten Zustellungsbezirk lagen die (ehemaligen) Orte Bimbach-Neiderschen, Schöneberg-Neiderschen, Schöneberg, Kahlhard und Obernau. Der erste Zusteller des Bezirks war der Herr Keller. Der Postkutschenverkehr zwischen Altenkirchen und Neitersen wurde nun eingestellt, dagegen der zwischen Neitersen und Flammersfeld fortgeführt. Das Postamt Flammersfeld, dem die Postagentur Neitersen vorübergehend unterstellt war, bediente die Schaffnerbahnpost Limburg-Altenkirchen auf dem Bahnhof Neitersen. Mit Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie Altenkirchen-Linz/Rh. wurde auch dieser Postkutschenverkehr eingestellt, da das Postamt Flammersfeld die Bahnpost am erstandenen Bahnhof Flammersfeld bediente. Neitersen fertigte jetzt die Bahnpost selbst ab und wurde nunmehr dem Postamt Altenkirchen unterstellt.
Im Jahre 1889 wurde die Verwaltung der Postagentur dem damaligen Postagenten Münker entzogen. Sie wurde in das Bahnhofsgebäude verlegt und dem Bahnhofsvorsteher übertragen. Somit waren Post uns Eisenbahn-Verwaltung in einer Hand, bei getrennter Abrechnung. Durch die Ortsbenennung ,,Neitersen" für die beiden Einrichtungen waren für die damalige Gemeinde Bimbach-Neiderschen zweierlei Namen entstanden. Da beide Namen im öffentlichen Dienst zu irreführenden Ortsbezeichnungen führen konnten, wurde von der oberen Behörde bei dem Innenministerium ein Antrag auf Umbenennung der Namen Birnbach-Neiderschen und Schöneberg-Neiderschen gestellt. Der erste Vorschlag war, daß Birnbach-Neiderschen künftig den gleichen Namen wie Bahn und Post erhalten sollte, nämlich Neitersen. Schöneberg-Neiderschen sollte dagegen nur noch Neiterschen heißen. Dem Vorschlag wurde zugestimmt, somit sind die Namen beider Gemeinden in die Ortsverzeichnisse übernommen worden.
Im Protokollbuch von Neitersen wurde das erste Protokoll am 20. 12. 1890 unter der Ortsbezeichnung ,,Neitersen" geführt. Seit diesem Jahr wird nur der Name Neitersen angegeben, der auch bei der Verwaltungsreform 1970 keine Änderung erfuhr. Dagegen nahmen Jetzt die Gemeinden Neiterschen und Niederölfen, weil sie mit Neitersen eine Großgemeinde bilden, ebenfalls den Namen Neitersen an.
Eine mittelalterliche befestigte Anlage in Neitersen
EINE MOTTE UNTERHALB DER KAHLHARDT
Autor: Michael Müller
Die Motte, bei einigen Neiterser Bürgern als Fliehburg bekannt, lag östlich des Südteils von Neitersen, etwa 250 Meter von der Bahnlinie entfernt in der Flur im ,,Wiest". Die Bezeichnung ,,Fliehburg" trifft nicht zu, da solche Burgen nicht, wie unsere Motte, im Tal, sondern nur auf Hügeln errichtet wurden
Der Innenraum der Anlage betrug 30mal 30 Meter, der Wall, der auf der Außen- und Innenseite von je einem 3 Meter breiten Graben umgeben war, war 6 Meter breit und ca. 1 bis 1,80 Meter hoch. Er war durch eine Verbindung, die man zwischen beiden Gräben hergestellt hatte, unterbrochen. Die Gräben wiederum wurden durch eine weitere Verbindung mit der naheliegenden Wied mit Wasser gefüllt. Außerdem befand sich wahrscheinlich noch eine Palisade um das Gebäude. Im Laufe der Zeit hatte das starke Wasser der Wied an der Motte genagt, sodaß sie immer mehr zerfiel, bis sie um 1890 schließlich völlig niedergerissen wurde. Die Anlage wurde von den Anwohnern damals nur bei Gefahr benutzt, um sich selbst und das Vieh dorthin in Sicherheit zu bringen. Durch die beiden Gräben und den breiten Wall bestand für die Schutzsuchenden genügend Sicherheit für die damaligen Verhältnisse.
Wie wird das Gebäude einer solchen Motte ausgesehen haben?
Eine Verbindung von Fachwerk und Steinbau läßt sich, aufgrund der dürftigen Grabungsergebnisse bei anderen Motten, nicht nachweisen. (Auf dem Gelände, auf dem sich unsere Motte befand, wurde keine größere Grabung vorgenommen). Es kann aber angenommen werden, daß der untere Teil des Gebäudes ein massiver Steinbau war (Bruchstein), da er dem feindlichen Ansturm mit Kampfwaffen ausgesetzt war. Die oberen Stockwerke waren, wie Hüttenlehmfunde bewiesen, als Fachwerkbau angelegt. Das Dach wird vermutlich mit Stroh gedeckt worden sein, obwohl Stroh wegen der Brandgefahr durch Brandpfeile recht ungeeignet war. Der untere Teil war vermutlich mit einigen Schießschächten und einer Tür versehen, die Fensteröffnungen befanden sich im oberen Geschoß. Daran, daß es in Neitersen einmal eine befestigte Anlage gab, erinnern uns nur noch zwei Sagen, die aber unsere Motte als Ritterburg darstellen.
Diese Sagen möchte ich im folgenden wiedergeben.
DIE BURG KAHLHARDT
Auf der Kahlardter Burg wohnte einst ein reicher Graf, der eine große Kiste voll Gold besaß und im Keller versteckt hielt. Eines Tages klopfte ein alter Bettelmann an das Burgtor, doch der geizige, schlechte Graf gab ihm noch nicht einmal ein Stück Brot, sondern hetzte den Hund auf' ihn und jagte ihn fort. Da rief der alte Bettelmann ihm zu: ,,Höll dech der Deuwell möt all dengem villen Geld!"
Und tatsächlich kam bald darauf in der Nacht nach einem heißen Tag ein Gewirter auf Es blitzte und donnerte furchtbar. Schließlich gab es einen furchtbaren Knall, und die Burg stand in Flammen. Niemand war bereit dem schrecklichen Grafen zu helfen und das Feuer zu löschen, so daß er mitsamt allen anderen Bewohnern der Burg verbrennen mußte.
Am nächsten Morgen kamen die Leute von der Kahlhardt und von Neitersen, um die Kiste mit dem Gold aus dem Keller der Burg zu holen.
Doch als sie den Keller von Schutt und heißer Asche freigeräumt hatten, fanden sie nur ein tiefes Loch. Sie gruberi es noch tiefer aus, aber sie konnten kein Gold entdecken. So schlossen die Leute daraus, daß die Kiste zwar noch im Keller ist, aber verzaubert.
Nun wohnte zur damaligen Zeit auf der Kahlhardt ein sehr alter Mann, der weit in derWelt herumgekommen war und wußte, wie man eine verzauberte Schatzkiste bergen konnte: ,,Verzauberte Dinge kann man ausschließlich nachts zwischen elf und zwölf Uhr ausgraben, wobei man kein Sterbenswörtchen sprechen darf"
Der Mann ging also in der nächsten Nacht um genau elf Uhr mit zwei Männern an die Stelle, wo die Kiste gewesen sein mußte, und begann zu graben. Endlich, als sie schon bis beinahe zwölf Uhr gegraben hatten, stieß einer der Männer mit der Schaufel auf die Kiste. Vor Freude vergaß er das Gebot zu schweigen und rief aus: ,,Ech hann se!"
Da gab es einen fruchtbaren Knall, und die Kiste fuhr wieder in die Erde zurück. Damit war sie für immer verloren. Sie liegt heute noch da unten und wird auch zukünftig dort bleiben.
Die zweite Sage handelt ebenfalls von einem nicht erreichbaren Schatz:
DER VERGRABENE SCHATZ ZU NEITERSEN
Auch in dieser Sage wird die Motte zu einer mittelalterlichen Burg, in der ein grausamer Ritter lebte, der im Laufe seines Lebens auf unrechtmäßige Weise viele Schätze angehäuft hatte.
Als nun der Papst zum Kreuzzug gegen die Türken aufrief und jedem, der daran teilnahm, die Sündenvergebung versprach, wollte auch der Ritter auf diese Weise frei von seinen großen Sünden werden. Um sein Geld während seiner Abwesenheit in Sicherheit zu wissen, legte er es in eine Kiste und vergrub.es heimlich auf dem Gelände der Burg. Das beobachteten einige Knechte, die mit ihm ziehen sollten, aber sie erkannten nicht die genaue Stelle, an der der Schatz lag.
Jahre später kehrten diese Knechte ins Wiedbachtal zurück und teilten den Leuten mit, daß ihr Herr gefallen sei. Natürlich versuchten sie auch gleich, den vergrabenen Schatz zu heben, verloren jedoch schon bald die Geduld und zogen weiter.
Doch das Gerücht von einem verborgenen Schatz bei Neitersen blieb und verbreitete sich. Später, im Dreißigjährigen Krieg, kamen dann fast alle Einwohner des Dorfes Kahlhardt ums Leben. Nur eine einzige Familie kehrte von der Flucht in das zerstörte Dorf zurück. In schwerer finanzieller Not fiel ihnen der Schatz zu Neitersen wieder ein, und sie beschlossen, ihn zu suchen. In der darauffolgenden Nacht machten sich also zwei Männer der Familie daran, auf dem Burggelände zu graben. Einer von ihnen trug eine grüne, einer eine schwarze Weste. Plötzlich stießen sie auf einen Gegenstand und bemerkten bald, daß es die Kiste mit dem Geld war. Doch als sie sie gerade anheben wollten, rief eine schaurige Stimme: ,,Wen soll ich zuerst fassen, den mit der grünen oder der schwarzen Weste?" Entsetzt fuhren die beiden Schatzgräber aut, und erblickten eine mächtige Gestalt in einer Ritterrüstung, die nach ihnen zu greifen schien. Schreiend ergriffen die Männer die Flucht.
Als sie sich am nächsten Morgen vorsichtig der Stelle, an der sie gegraben hatten, näherten, konnten sie weder eine Spur von der Rittergestalt noch von der ausgehobenen Grube erkennen. Alles lag unberührt wie sonst vor ihnen.
Bald wurde bekannt, daß der im Kreuzzug gefallene Ritter als Geist seinen Schatz bewacht und jeden, der ihn heben will, erschreckt.
Nach einiger Zeit wagte kaum noch jemand, an das Geld zu gelangen. So ist es sehr wahrscheinlich, daß der Schatz noch immer, bewacht vom Ritter, an seinem Platz liegt!
Nachsatz: Neitersen besteht heute aus den früheren Orten;
Neiterschen, Neitersen, Kahlhardt, Fladersbach und Niederölfen.
Die Zusammenlegung erfolgte 1970 bei der Gebietsreform in Rheinland-Pfalz.